Openbikesensor - 2 Jahre Überholabstandsmessung in Hagen
3900 Überholvorgänge haben wir mittlerweile gemessen. Wer mit dem Openbikensensor fährt, misst unterwegs den Überholabstand für alle überholenden Autos/LKW/Busse. Die verschiedenen Überholabstände werden auf einer Karte angezeigt - erste Ergebnisse:
Gut 3900 Überholvorgänge haben wir mittlerweile in Hagen gemessen. Wer mit dem Openbikensensor herumfährt, misst den Überholabstand aller überholenden Autos/LKW/Busse. Dabei wird nicht nur der Überholabstand sondern auch die Position erfasst, so dass man am Ende auf einer Karte anschaulich betrachten kann, wo es besonders kritsch (rot) ist. Bei Einhaltung der Mindestabstände ist alles im grünen Bereich. Dabei wird berücksichtigt, dass Fahrräder außerorts mit 2m, innerorts mit 1,5m Abstand überholt werden müssen. Und das bezieht sich auf das linke außere Ende des Rads (meist der Lenker) und das rechte äußere Ende des Autos (meist der rechte Außenspiegel).
In Extremfällen haben wir - leider gar nicht so selten - Überholabstände von unter einem oder sogar unter einem halben Meter beobachtet. Beispiele sind L700 (Tempo 50 maximal erlaubt, mindestens 1,5m Überholabstand vorgeschrieben) oder B7 (Tempolimit zwischen 70 und 100, 2m Überholabstand vorgeschrieben).
Nach einer ersten groben Analyse von West nach Ost haben wir sechs Straßen identifiziert, auf denen besonders oft unangenehm (StVO-widrig) überholt wird. Bei gründlicherer Betrachtung finden sich vielleicht noch mehr:
Enneper Straße: Wir vermuten, dass hier die zu schmalen Schutzstreifen viele zum zu engen Überholen verleiten. Und auch wenn wir facebook-Kommentare nicht unbedingt als der Weisheit letzten Schluss betrachten würden, so deuten die facebook-Kommentare zum Openbikesensor-Artikel in der Westfalenpost (Paywall) darauf hin, dass einige Leute annehmen, dass der Radfahrer auf dem Artikelfoto sich ja auf einem "Radweg" bewegt und man deshalb ruhig an der gestrichelten Linie bleiben kann beim Vorbeifahren (auch bei eigenen Radspuren ersetzt die durchgezogene Linie übrigens keinen vorschriftsmäßigen Überholabstand).
(Teile der) Altenhagener Straße: Bedingt durch Verkehrsinseln und durchgezogene Linien / Gegenverkehr ist das Überholen hier nicht immer einfach. Einige Leute verzichten dann leider auf regelkonformes Überholen.
Boeler Straße: Hier sind die Fahrspuren recht schmal durch an beiden Seiten parkende KfZ. Da werden Autofahrende leider oft zu ungeduldig, eine Lücke im Gegenverkehr abzuwarten und überholen gefährlich nah.
Fleyer Straße: Hier sind Bushaltestellen ohne Haltebucht und Verkehrsinseln. Da überfordert es wohl einige Autofahrer, Radfahrenden auch noch Aufmerksamkeit zu schenken - oder sie finden, die relativ schmalen Verkehrsteilnehmer kann man doch trotz Gegenverkehr noch mal eben überholen?
Eckeseyer Straße (zwischen Bauhaus / Bushaltestelle Eicken und Fuhrparkstraße): Hier ist manchmal auf beiden Spuren recht viel Verkehr. Hier scheinen viele nicht zu erkennen, dass nahezu ein kompletter Spurwechsel nötig ist, um mit ausreichend Abstand zu überholen. Oder meinen sie womöglich, durch gefährliches Überholen darauf aufmerksam machen zu müssen, dass der angrenzende Fußweg (nicht sehr breit und durch Ausfahrten/Ampeln unterbrochen) für den Radverkehr freigegeben ist? (Zur Betonung: Fahrrad frei bedeutet keine Benutzungpflicht - und Fußwege mit vielen Ausfahrten/Querstraßen sind für Radfahrende gefährlicher als oft gedacht - auf der Fahrbahn wird man besser gesehen).
B7 (größtenteils außerorts): Insbesondere zwischen Feithstraße und Hammacherstraße sowie kurz nach/vor der Ampel Hühnenpforte (nach dem Ortsausgang Hohenlimburg). Ursachen vermutlich:
1. Innerorts Ampeln, die einige Autofahrende zu animieren scheinen, Radfahrende noch schnell zu überholen, während andererseits durch die Ampeln und/oder Gegenverkehr nicht ausreichend Platz zum Überholen ist.
2. Außerorts: a) Zwischen A45 und Hammacherstraße sind die Seitenstreifen seit einigen Jahren fast komplett mit LKW zugeparkt, was das (sonst erlaubte) Fahren auf den Seitenstreifen mit dem Fahrrad unmöglich macht. Viele Überholende sind aber anscheinend nicht bereit, eine Lücke im Gegenverkehr abzuwarten für den Überholvorgang - oder nehmen vielleicht auch Radfahrende hinter Kurven und geparkten LKW zu spät war? b) Ortsausgang Hohenlimburg: Hier parken zahlreiche PKW auf den Seitenstreifen, so dass man sich auch hier die Fahrbahn mit ungeduldigen KfZ-Lenkern teilen muss, die oft nach einer roten Ampel schnell vorwärtskommen "müssen". Bis man bei einem freien Seitenstreifenstück ankommt und ausweichen kann, haben oft schon alle überholt.
Lösungsvorschläge zur Vermeidung zu engen Überholens:
- Häufig scheinen parkende Fahrzeuge am Straßenrand zu gefährlichem Überholen zu führen. Wären sie nicht dort, gäbe es evtl. sogar Platz für eine eigene Radspur?
- Schutzstreifen sollten entfernt werden. Sie scheinen Radfahrende eher zu gefährden, da sie anscheinend enges Überholen fördern. Alternativ breitere / baulich getrennte Radstreifen wären natürlich noch besser.
- Verkehrsinseln/Ampeln scheinen eine Art Überholzwang auszulösen. Verkehrsinseln kann man möglicherweise entfernen, aber bei Ampeln haben wir keinen einfachen Vorschlag bisher. Eventuell würden mehr ARAS (Aufgeweitete RadAufstellStreifen) Haltebereiche ganz vorne an Ampeln hier helfen - jedenfalls lenken sie die Aufmerksamkeit auf den Radverkehr und machen das Überholen weniger attraktiv, wenn der Radverkehr am Ende doch vorne warten darf.
Insgesamt können wir leider nicht ausschließen, dass enge Überholvorgänge als (regelwidrige und gefährliche) "Erziehungsmaßnahme" gedacht sind. Im Extremfall sind Autofahrer der Meinung, dass Räder nicht auf die Straße gehören - und in vielen Fällen wissen sie anscheinend nicht, dass die Nutzung von Fußwegen verboten und die Nutzung von freigegebenen Fußwegen keine Pflicht und manchmal auch nicht ungefährlich ist.
Jedenfalls kennen die meisten Radfahrenden (nicht nur in Hagen) wohl Gesten, mit denen jemand signalisiert, dass man gefälligst den Fußweg nutzen soll.
Wir hoffen, dass der Artikel in der Westfalenpost zum Thema und weitere Öffentlichkeitsarbeit das Wissen um korrektes Überholen verbreiten. Damit kann man zumindest unabsichtlich gefährliches Überholen reduzieren. Es wäre hilfreich, wenn in Zukunft die Überholabstände auch offiziell regelmäßig kontrolliert würden, um an die Regeln zu erinnern. In Hagen wurde unseres Wissens bisher der Überholabstand nicht kontrolliert, aber momentan laufen bei einigen Polizeistellen in NRW Feldversuche zur Überholabstandsmessung, z.B. in Hamm, Düren und in Mettmann.
Ein Tipp: Man sollte niemals zu nah an parkende Autos fahren, denn sonst steigt das Risiko eines Dooring-Unfalls (bei sich öffnender Autotür) - und eine Mitschuld bekommt man eventuell auch noch. Hier ist ein Abstand von mindestens 1m, besser mehr, sehr sinnvoll. Und da Überholende im Allgemeinen sowieso die Fahrspur teilweise wechseln müssen, um mit ausreichend Abstand zu überholen, kann es für die eigene Sicherheit hilfreich sein, etwas mehr zur Mitte einer Fahrspur zu fahren. So kann man ein Durchquetschen ohne Fahrspurwechsel unmöglich machen. Natürlich muss man ausreichen Abstand lassen, dass regelkonform überholt werden kann - wenn die Straße dafür breit genug ist. Ausreichend Abstand zu parkenden Fahrzeugen sollte immer gehalten werden!
Karte findet sich über obs.radentscheid-essen.de